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Giebel über der Toreinfahrt zur Abtei Brauweiler

LVR-Kulturzentrum
Abtei Brauweiler

Arbeitsanstalt

Die Arbeitsanstalt Brauweiler vor der deutschen Reichsgründung (1815-1871)

Nach der Eroberung des Rheinlands durch die Franzosen übernahm 1815 die preußische Verwaltung die Bettleranstalt und erweiterte sie zur „Provinzial-Arbeitsanstalt Brauweiler“. In der Arbeitsanstalt wurden Obdachlose, Landstreicher*innen, Prostituierte und Spielsüchtige zwangsweise inhaftiert und sollten durch Arbeit diszipliniert und zu produktiven Mitgliedern der Gesellschaft umerzogen werden. Außerdem gab es Sonderabteilungen für Alkoholkranke, psychisch Kranke, Land- und Ortsarme sowie schwer erziehbare Jugendliche. Die Arbeitsanstalt finanzierte und versorgte sich weitestgehend selbst und verfügte unter anderem über folgende Werkstätten: Weberei, Näherei, Schreinerei, Schlosserei, Schmiede, Korbmacherei, Schusterei, Bäckerei, Ziegelei und ab 1873 außerdem: Anstreicherei, Druckerei, Buchbinderei, Tüten- und Briefumschlagfabrik.

Die hergestellten Produkte wurden sowohl für die Anstalt selbst als auch für andere Einrichtungen des Provinzialverbandes hergestellt. Die bis zu 300 weiblichen Insassinnen waren isoliert von den Männern im sogenannten Frauenhaus untergebracht. Sie arbeiteten vor allem in der Wäscherei, der Näherei, der Bügelei und der Küche.


Die zweite Phase der Arbeitsanstalt (1871-1933)

1873 ging die Anstalt nach der Deutschen Reichsgründung vom preußischen Staat in den Besitz des rheinischen Provinzialverbandes. Die Dauer der Inhaftierung betrug von da an mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre. In den 1880er Jahren passte sich die Arbeitsanstalt zunehmend der wachsenden Industrialisierung an: Eine 1884/85 errichtetes Gaswerk und ein Maschinenhaus bildeten die Grundlage für die „industriemäßige“ Produktion in den Werkstätten. Um 1910 war die Anstalt mit 1100 männlichen und ca. 200 weiblichen Insass*innen fast vollständig belegt. Die Belegungszahl wuchs während wirtschaftlicher Krisenzeiten und sank während der Weltkriege, in denen viele männliche Insassen Militärdienst leisten mussten. 1913 wurde der sogenannte Zellenbau im heutigen Abteipark errichtet, 1897/98 ein Arresthaus, in dem Insass*innen Einzelhaft absitzen mussten.

Die Arbeitsanstalt Brauweiler hatte einen besonders schlechten Ruf. Die Worte „Ab nach Brauweiler“ kennt die ältere Generation aus der Umgebung teilweise heute noch. Das Arbeitshaus war bekannt für eine strenge Hausordnung, sehr harte Bedingungen und Strafen. So wurden die so genannten „Korrigend*innen“ beispielsweise in sehr kleine Einzelzellen („Behälter“) gesperrt oder körperlich gezüchtigt. Abschreckung und wirtschaftliche Ausbeutung dominierten über das eigentliche Projekt der gesellschaftlichen Wiedereingliederung sozialer Randgruppen. Es gab außerdem unter den Insassen eine hohe Rückfallquote.

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