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Giebel über der Toreinfahrt zur Abtei Brauweiler

Gedenkstätte
Brauweiler des LVR

Gedenkbuch Brauweiler

Edelweißpiraten

Mit dem Namen „Edelweißpiraten“ verbindet man heute unterschiedliche oppositionelle Jugendgruppen im rheinisch-westfälischen Raum während der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 bis 1945. Die Bevölkerung und staatliche Institutionen sprachen damals zunächst in der Regel von bündischen Jugendgruppen, da sie sich in ihren Freizeitaktivitäten an den nichtkonfessionellen bündischen Gruppen der Weimarer Republik orientierten. Während diese dem Bürgertum entstammten, bildeten sich die informellen Gruppen der Edelweißpiraten in Arbeitervierteln und standen in scharfer Gegnerschaft zur Hitlerjugend. Mit der zunehmenden Vereinnahmung durch den Staat, insbesondere seit Kriegsbeginn, wollten sich immer mehr Jugendliche der Hitlerjugend, ihrem Drill und der oktroyierten Freizeitgestaltung entziehen.

Auf der Basis der „Reichspolizeiverordnung zum Schutz der Jugend“ vom 9. März 1940 und des Verbotes sogenannter bündischer Betätigung gingen Gestapo und HJ-Streifen gegen die unangepassten Jugendlichen vor. In der Regel wurden die Jugendlichen nach Razzien in Brauweiler in „Schutzhaft“ genommen. Durch Verhöre versuchte die Gestapo, „Mitläufer“ von „aktiven Teilnehmern“ und „Rädelsführern“ zu unterscheiden. Die zumeist als Mitläufer eingestuften Jugendlichen blieben bis zu drei Wochen in Brauweiler. „Rädelsführer“ und „aktive Teilnehmer“ mussten mit einer gerichtlichen Anklage rechnen. Von Ostern 1940 bis April 1944 diente das sogenannte „Erziehungsheim Freimersdorf” im Zellenbau der Arbeitsanstalt Brauweiler der Kölner Gestapo als zentraler Inhaftierungsort für Edelweißpiraten aus Köln und der näheren Umgebung. Ab April 1944 beanspruchte die Kölner Gestapo die Zellen des Erziehungsheims Freimersdorf für die Unterbringung der Gefangenen der Sonderkommandos Bethke und Kütter. Damit war die Zeit der Unterbringung von unangepassten Jugendlichen in Gestapo-„Schutzhaft“ in Brauweiler vorbei. Edelweißpiraten befanden sich allerdings weiterhin unter den „Fürsorgezöglingen“ der Brauweiler Erziehungsheime.

Die im Herbst 1944 in Brauweiler inhaftierte Gruppe um Hans Steinbrück wird zum einen fälschlicherweise als Edelweißpiratengruppe bezeichnet, zum anderen hatten die zur Gruppe zählenden wenigen ehemaligen Edelweißpiraten mit dem Anschluss an Hans Steinbrück ihre früheren Aktivitäten aufgegeben.

Eine im Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland erhaltene Liste nennt allein für den Zeitraum von August 1943 bis April 1944 218 Namen zumeist männlicher Jugendlicher zwischen 15 und 17 Jahren. Andere Quellen nennen weitere Zahlen und Namen, auch von weiteren weiblichen Jugendlichen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können nicht alle Namen der zugehörigen Personen in diesem Online-Gedenkbuch veröffentlicht werden.

Umstritten ist bis heute die Bewertung bzw. Einordnung des unangepassten Verhaltens der Jugendlichen als politische Widerstandshandlung. Ob nun jugendlicher Übermut oder/und bewusste politische Aktivität, so verweigerten sich diese Jugendlichen gegenüber vielen Forderungen des totalitären Staates in weitaus stärkerem Maße als die meisten Erwachsenen.

Literatur:

  • Daners, Hermann/Wißkirchen, Josef: Die Arbeitsanstalt Brauweiler bei Köln in nationalsozialistischer Zeit, Essen 2013.
  • Kenkmann, Alfons: Wilde Jugend. Lebenswelt großstädtischer Jugendlicher zwischen Weltwirtschaftskrise, Nationalsozialismus und Währungsreform, Essen 1996.
  • Rüther, Martin: Köln im Zweiten Weltkrieg. Alltag und Erfahrungen zwischen 1939 und 1945. Darstellung – Bilder – Quellen, mit einem Beitrag von Gebhard Anders, Köln 2005.
  • Seibert, Winfried: Die Kölner Kontroverse. Legenden und Fakten um die NS-Verbrechen in Köln-Ehrenfeld, Essen 2014.

Text und Recherche:

Hermann Daners


Betroffene Personen

Die hier genannten Personen waren entweder Mitglieder der Edelweißpiraten oder wurden in Zusammenhang mit dieser Verhaftungswelle von der Gestapo interniert.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen können weitere Namen in diesem Online-Gedenkbuch derzeit noch nicht veröffentlicht werden.