Aktuelles
"Altes Casino" zwischen Abteikirche und Parkplatz. Foto: LVR-AFZ, Markus Thulin
Sonntag, 10. September 2023 - Tag des offenen Denkmals
Gedenkstätte Brauweiler des LVR beteiligt sich mit kostenlosen Führungen zur NS-Geschichte
Am 10. September 2023 ist es wieder soweit: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz koordiniert den Tag des offenen Denkmals®, die größte Kulturveranstaltung Deutschlands. Auch in diesem Jahr lädt das Team der Gedenkstätte Brauweiler zu einem kostenlosen Besuch, zum Austausch und zum Kennenlernen ein.
Obwohl die Gedenkstätte wegen Umbauarbeiten bis zur Neueröffnung im Juni nächsten Jahres geschlossen ist, sind wir weiter für Sie da: Überblicksführungen informieren über das Thema „Die Arbeitsanstalt Brauweiler in der NS-Zeit“ und führen über das Abteigelände und in das Alte Casino neben der Abteikirche. Dort sind Teile der Dauerausstellung von 2008 vorübergehend untergebracht. Auch befindet sich hier zurzeit das pädagogische Zentrum des LVR in Brauweiler.
Zwischen 10 und 17 Uhr können Sie an einstündigen Überblicksführungen teilnehmen. Wir empfehlen die vorherige Anmeldung, da die Gruppengröße auf 20 Personen begrenzt ist. Gerne können Sie schon jetzt Ihren Teilnahmeplatz an den Führungen um 10:00, 11:00, 12:00, 13:00, 14:00, 15:00 oder 16:00 Uhr reservieren. Anmeldungen bitte an Dr. Markus Thulin: markus.thulin@lvr.de
Treffpunkt für die Führungen:
Abteishop am Haupteingang der Abtei Brauweiler
Ehrenfriedstr. 19
50259 Pulheim-Brauweiler
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Gedenkstätte Brauweiler des LVR ab 1.7.2023 bis vss. Mai 2024 geschlossen
Gedenkstätte Brauweiler erhält ein neues Gesicht | Bauarbeiten starten in Kürze
Im nächsten Jahr wird die Gedenkstätte Brauweiler des LVR mit neuer Konzeption, erweiterten Räumlichkeiten und barrierefreiem Zugang neu eröffnet. Die Neueröffnung bettet sich ein in die Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Gründungsjubiläum der Abtei Brauweiler und ist für Juni 2024 geplant.
Gäste der Gedenkstätte haben es bemerkt: In den vergangenen Monaten wurde der Aufzug im Bürohaus in das Kellergeschoss hinunter verlängert, damit die Gedenkstätte auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkung erreichbar ist. Nun gehen die Arbeiten in die nächste Phase. In den kommenden Monaten wird die Barrierefreiheit auch für die Fluchtwege hergestellt. Hierfür werden bauliche Veränderungen an den Räumen vorgenommen, die derzeit nur über Schwellen und Stufen erreichbar sind. Auch die Sanierung einzelner Räume, die bislang noch nicht in die Ausstellung einbezogen waren, erfolgt im Zuge der Bauarbeiten. Dies alles bereitet den Einbau der neuen Ausstellung vor.
Für die Phase des Umbaus und der Neueinrichtung bleibt die Gedenkstätte Brauweiler vom 1. Juli 2023 bis vss. Mai 2024 geschlossen.
Die wöchentlichen Kurzführungen wie auch der begleitete Eintritt in die Gedenkstätte entfallen. Dennoch bleibt das wichtige Thema der NS-Geschichte in Brauweiler auch während der Bauphase präsent.
Die monatlichen öffentlichen Führungen am ersten Samstag im Monat finden weiter statt, allerdings als Rundgang über das Gelände. Auch Schulklassen und Gruppen können Führungen und Workshops buchen, in denen es um das Thema NS-Geschichte geht. Bitte kontaktieren Sie dazu unseren Gedenkstätten-Pädagogen Dr. Markus Thulin.
Ihr Kontakt zur Gedenkstätte Brauweiler des LVR:
Dr. Christine Hartmann, Christine.Hartmann@lvr.de, Tel. 02234 9854-301
Dr. Markus Thulin, Markus.Thulin@lvr.de, Tel. 02234 9854-278
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Markus Thulin zeigt einer Schulklasse aus Hannover eine originale Zellentür in der Gedenkstätte Brauweiler. Einige Schulen nehmen über Beamer an dem Workshop teil. Foto: LVR-AFZ, Thulin
Vier Schicksale – zwei Orte: Täter und Opfer, Verfolgung und Verbrechen in Köln und Brauweiler
Hybrid-Führung am Freitag, den 5. Mai 2023 von 16:00 bis 18:00 Uhr
Das EL-DE-Haus in Köln und die ehemalige Arbeitsanstalt Brauweiler wurden durch die Kölner Gestapo als Haftstätten genutzt und entwickelten sich in den Jahren 1944 und 1945 zu den Zentren der letzten großen NS-Terrorwelle im Rheinland.
Im Rahmen eines hybriden Führungsangebots, analog und virtuell, lernen Sie beide Haftorte anhand der Schicksale von vier Personen kennen. Diese stehen jeweils für eine Gruppe von Verfolgten: für das Nationalkomitee Freies Deutschland und den Widerstand zum Kriegsende, für die Verfolgung der Zwangsarbeiter*innen, für das Schicksal jüdischer Menschen sowie für die Verfolgung unangepasster Jugendlicher.
Zu Beginn wird Dr. Recha Allgaier-Honal durch die Dauerausstellung des NS-Dokumentationszentrums führen. Im Vortragsraum wird Dr. Markus Thulin aus Brauweiler zugeschaltet. Er zeigt in einer Online-Live-Führung die Gedenkstätte Brauweiler des LVR. Zum Abschluss haben Sie die Möglichkeit, beiden Vortragenden Fragen zu stellen.
Treffpunkt
NS-Dokumentationszentrum Köln, Kasse
Buchungslink
https://museenkoeln.de/portal/kurs_buchen.aspx?termin=41394&inst=14
Weitere Termine
7. Juli und 25. August, jeweils 15:00-17:00 Uhr
Sichtfenster in einer Zellentür. Foto: LVR, Ludger Ströter
Ausstellung"Mehr als man kennt - näher als man denkt"
Objektgeschichten aus Gedenkstätten in NRW
29 NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte des Landes NRW präsentieren in einer gemeinsamen Online-Ausstellung jeweils ein ausgesuchtes Exponat und stellen ihre Einrichtung vor. Mit dabei ist auch die Gedenkstätte Brauweiler des LVR.
Pressemeldung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Arbeitskreises NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. und der Landeszentrale für politische Bildung NRW.
Die Ausstellung wurde vom 10. März bis 16. April 2023 in Brauweiler gezeigt.
Hier geht es zur Online-Ausstellung.
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Podcast-Logo; Bild: LZPB
Podcast zur Gedenkstätte Bauweiler
29 Orte gegen das Vergessen - NS-Erinnerung in NRW
Im Auftrag des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW, gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung NRW, werden derzeit alle 29 Erinnerungsorte in NRW per Podcast vorgestellt. Die Gedenkstätte Brauweiler des LVR gehört zu diesen Orten
Am 20. September 2022 hatten wir Besuch von den beiden Journalistinnen Nina Höhne und Pauline van Moll. Den Link zum Podcast finden Sie hier.
Fotografie von Ellen Fiebert, aufgenommen am 30.06.2022 in der Abtei Brauweiler Foto: Markus Thulin, AFZ-LVR
„Die traurige Vergangenheit meiner Wohnung“
Radio-Podcast zur Sendung vom 25./26. Januar 2023
WDR 5, ein Feature der Sendung „Neugier genügt“
Im Kölner Mehrfamilienhaus, in dem die Radiojournalistin Larissa Schmitz heute mit ihrer Familie lebt, wohnte in den 1930er Jahren die jüdische Familie Cappel: Mutter, Vater und zwei Töchter.
Ellen Fiebert, die Enkelin von Paul Cappel, die in den USA lebt, besuchte Larissa Schmitz 2022 in Köln. Im November 1938 wurde Paul Cappel im Gestapo-Gefängnis Brauweiler und dann im Konzentrationslager Dachau interniert. Den Eintrag im Gedenkbuch Brauweiler finden Sie hier.
Im Juli 1941 zwang man Paul Cappel nach einer kurzen Zeit der relativen Freiheit erneut auf eine Deportation. Dieses Mal war die gesamte Familie betroffen, wobei den Töchtern zuvor die Flucht gelungen war.
Den Besuch von Ellen Fiebert im Sommer 2022 hat Larissa Schmitz in einer zweiteiligen Radiosendung dokumentiert. Diese finden Sie hier.
Im Kreuzgang der Abtei Brauweiler erarbeiten Studierende anhand eines Zeitstrahls eine Chronologie der Gestapo-Arbeit in Brauweiler. Foto: LVR-AFZ, Nagl
Digitale Präsentation von Gestapo-Ermittlungsmethoden
Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität Wuppertal gestartet
Am 17. Oktober bekamen wir Besuch von Studierenden des Fachbereichs Digital Humanities der Bergischen Universität Wuppertal. Gemeinsam werden wir bis März 2024 zwei digitale Präsentationen erarbeiten. Ziel soll es sein, die Ermittlungsarbeit der Kölner Gestapo in Brauweiler und die Organisationsstruktur von Kölner Widerstandsgruppen in Köln in den Jahren 1944 und 1945 visuell darzustellen. Teilnehmer*innen des Masterstudiengangs Public History der Universität zu Köln beteiligten sich ebenfalls am Auftaktworkshop in Brauweiler. Sie werden im Wintersemester 2022/2023 die didaktische Umsetzung des Kooperationsprojekts begleiten.
Das Team des Amtes für Denkmalpflege im Rheinland, des Facility Managements und der Gedenkstätte im zukünftigen Entree-Bereich der Gedenkstätte (v.li.nach re.): Karl Kessel, Dr. Dorothee Heinzelmann, Dr. Christine Hartmann, Kerstin Nagl, Ulrike Rosemeier (GfG), Anja Abels und Stefan Bargstedt (Oblik)
Gedenkstätte Brauweiler erhält eine neue Dauerausstellung
Zusammenarbeit mit dem Gestaltungsteam ist gestartet
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Jubiläum der Abtei Brauweiler 2024 wird auch die Gedenkstätte Brauweiler neu eröffnet. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist gerade erfolgt: Der Auftrag zur Neugestaltung der Dauerausstellung konnte an die Bremer Agenturen GfG/Gruppe für Gestaltung in Kooperation mit oblik identity design vergeben werden.
Während die inhaltliche Neukonzeption seitens des wissenschaftlichen Teams der Gedenkstätte bereits weit vorangeschritten ist, begann im August die Zusammenarbeit mit dem Gestaltungsteam, die sich über knapp zwei Jahre erstrecken wird.
Ermöglicht wird das Projekt durch die finanzielle Förderung der Landeszentrale für politische Bildung NRW und die LVR-Museumsförderung.
Mehr Ausstellungsfläche, mehr Zeitschichten
Die neue Dauerausstellung wird den inhaltlichen Schwerpunkt auch künftig auf die Ereignisse der Jahre 1933 bis 1945 legen und ihn zugleich um einige Aspekte erweitern. Dazu zählt auch die Einbindung in den Kontext und die Entwicklungen der Arbeitsanstalt Brauweiler. Im Zuge der Neukonzeption wird die Ausstellungsfläche von jetzt 170 auf künftig 340 Quadratmeter verdoppelt werden.
Eine inklusive und intuitive Ausstellung
Ein wichtiger Anspruch an die neue Ausstellung ist ihre inklusive Gestaltung: Alle Menschen sollen die Gedenkstätte besuchen und auf Spurensuche gehen können. Derzeit wird seitens des LVR bereits ein Aufzug eingebaut, der es später ermöglicht, die Räume im Kellergeschoss barrierefrei zu erreichen. Zudem werden das Narrativ und die Elemente der Ausstellung so gestaltet, dass die Besuchenden den Ort und seine Geschichte selbständig ergründen können.
Eröffnung im Rahmen des Jubiläumsjahres 2024
Die Arbeiten an der neuen Dauerausstellung werden voraussichtlich im Frühjahr 2024 abgeschlossen. Die Eröffnung markiert einen der Höhepunkt im Jubiläumsjahr der Abtei Brauweiler.
Doch zunächst freuen wir als Team der Gedenkstätte uns auf und über die Zusammenarbeit mit dem renommierten Gestaltungsteam!
Die Ankündigung der Zusammenarbeit durch GfG finden Sie hier.
Markus Thulin zeigt einer Schulklasse aus Hannover eine originale Zellentür in der Gedenkstätte Brauweiler. Einige Schulen nehmen über Beamer an dem Workshop teil. Foto: LVR-AFZ, Thulin
Vier Schicksale – zwei Orte: Täter und Opfer, Verfolgung und Verbrechen in Köln und Brauweiler
Geschichtsvermittlung analog, virtuell und hybrid
Das EL-DE-Haus in Köln und die ehemalige Arbeitsanstalt in Brauweiler wurden durch die Kölner Gestapo als Haftstätten genutzt und entwickelten sich in den Jahren 1944 und 1945 zu den Zentren der letzten großen NS-Terrorwelle im Rheinland.
Vor einem Jahr entstand die Idee, Schulklassen beide Haftorte anhand der Biografien von Heinz Humbach, Teofila Turska, Ilse Neugebauer und Fritz Theilen vorzustellen. Sie stehen jeweils für eine Gruppe von Verfolgten: für das Nationalkomitee Freies Deutschland und den Widerstand zum Kriegsende, für die Verfolgung der Zwangsarbeiter*innen, für das Schicksal jüdischer Menschen sowie für die Verfolgung unangepasster Jugendlicher.
Heike Rentrop vom NS-DOK Köln und Markus Thulin haben das Programm nun auch für eine virtuelle und eine hybride Führung weiterentwickelt, die sich an Erwachsenengruppen richtet. Zwei öffentliche Termine bieten sie in der zweiten Jahreshälfte an. Sie sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen:
26. August 2022, 15:00-16:30 Uhr – Online Format, Anmelden können Sie sich hier.
10. November 2022, 15:00-17:00 Uhr – Hybrides Format (vor Ort in Köln, Brauweiler wird zugeschaltet), Anmelden können Sie sich hier.
Planungstreffen am 30. Mai 2022 in Bonn, Foto: AFZ Gedenkstätte
Zusammenarbeit mit dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
Im Rahmen der Neukonzeption der Dauerausstellung im Jahr 2024 erarbeiten wir gemeinsam mit unseren Kolleg*innen aus Bonn Karten der preußischen Rheinprovinz. Wir möchten damit unseren Gästen die Möglichkeit geben, die Nutzung der Arbeitsanstalt Brauweiler während der NS-Zeit im regionalen und überregionalen Kontext besser zu verstehen.
Schulklasse in der Ausstellung, Foto: LVR-AFZ
Einladung: Wander-Ausstellung „1700 Jahre jüdisches Leben im Rheinland“ zu Gast in Brauweiler
Eine Präsentation in Kooperation mit dem LVR-KULTURHAUS Landsynagoge Rödingen
Samstag, 11. Juni 2022, 10:00 bis 18:00 Uhr
Haben Sie Interesse, „Jüdisches Leben“ in Vergangenheit und Gegenwart kennenzulernen? Unsere Kolleg*innen aus dem LVR-KULTURHAUS Landsynagoge Rödingen haben zu diesem Thema eine Ausstellung vorbereitet, die sie schon an verschiedenen anderen öffentlichen Orten und in Schulen gezeigt haben. Ein Team wird vor Ort sein und mit Mitmachaktionen wie „Mein Name auf Hebräisch“ einen lebendigen Einblick in die Lebenswelt der rheinländischen Juden geben.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Die Ausstellung finden Sie bei gutem Wetter im Prälaturhof, bei schlechtem Wetter im Nikolaus-Lauxen-Saal des LVR-Kulturzentrums Abtei Brauweiler.
Weitere Informationen zur Ausstellung erhalten Sie hier.
Schüler*innen der Europaschule Kamp-Lintfort vor der Abtei; Foto: LVR-AFZ
Bericht: Auf den Spuren von Anton Andrzejczak
Neun Schüler*innen der Europaschule Kamp-Lintfort recherchieren den Lebens- und Leidensweg des Bergmanns aus ihrem Heimatort.
Als führendes Mitglied der Kommunistischen Partei in Moers gehörte Anton Frank Andrzejczak zu den Opfern der ersten großen Verhaftungswelle zu Beginn des NS-Regimes. Von April 1933 bis Februar 1934 wurde er im Frühen Konzentrationslager Brauweiler eingesperrt und schwer gefoltert.
Am 18. Mai besuchten die Schüler*innen die Gedenkstätte und nahmen an einem Workshop im Lesesaal des LVR-Archivs teil. In einer Arbeitsgemeinschaft beschäftigen sie sich mit der Biografie Andrzejczaks und werden der Verlegung eines Stolpersteins am 10. Juni an seinem ehemaligen Wohnort beiwohnen.
Weitere Informationen über das Projekt der Europaschule Kamp-Lintfort finden Sie hier.
Innenansicht der Gedenkstätte mit Informationstafeln, Foto: AFZ-LVR
Gedenkstätte Brauweiler wird erweitert
Neueröffnung für 2024 geplant | Barrierefreie Erschließung | Veränderungen durch finanzielle Unterstützung möglich
Die Gedenkstätte Brauweiler im LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler soll von jetzt 170 Quadratmeter auf rund 340 Quadratmeter erweitert werden. Das hat der Landschaftsausschuss in seiner Sitzung am 4. April 2022 beschlossen. „Bei der Gedenkstättenarbeit wird es immer wichtiger, dass sich die Gäste eigenständig vor Ort orientieren und mit der Geschichte beschäftigen können. Dafür stellen wir analoge wie mediale Angebote zur Verfügung. Mit einem Aufzug soll die Gedenkstätte zudem barrierefrei werden“, fasst Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, zusammen.
Seit 2008 erinnert die Gedenkstätte Brauweiler an die Geschehnisse der NS-Zeit in der ehemaligen Arbeitsanstalt Brauweiler. Was hatte es mit dieser Arbeitsanstalt auf sich, die bereits seit 1815 in Betrieb war? Was geschah, als 1933 die ersten Häftlinge des NS-Regimes nach Brauweiler kamen? Was wissen wir über sie und die anderen mehr als 1000 Menschen, die von 1933 bis 1945 hier inhaftiert waren? Diese und zahlreiche andere Fragen werden in der künftigen Dauerausstellung der Gedenkstätte beantwortet. Die Neueröffnung ist für das Jahr 2024 geplant und ein Baustein der Aktivitäten zum 1000-jährigen Gründungsjubiläum der Abtei Brauweiler.
Während sich die derzeitige Dauerausstellung auf die Darstellung der wesentlichen Ereignisse beschränkt, bezieht die künftige Ausstellung die Arbeitsanstalt in die Betrachtung ein. Hierfür wird mehr Ausstellungsfläche benötigt. Bislang anderweitig genutzte Flächen im Kellergeschoss des Bürohauses konnten hinzugewonnen werden – Platz, der unter anderem auch für den Ausbau des wichtigen pädagogischen Bereichs benötigt wird.
Wurde die Gedenkstätte bislang überwiegend im Rahmen von Führungen von jährlich etwa 1.200 Menschen (vor Corona) besucht, haben Gäste dann nach dem Umbau andere und zeitgemäße Möglichkeiten der Auseinandersetzung. Wie bereits aktuell, sollen neben Erwachsenen vor allem Schulklassen angesprochen werden.
Möglich wird die Erweiterung und Neugestaltung der Gedenkstätte durch die finanzielle Förderung der Landeszentrale für politische Bildung wie auch durch die Unterstützung seitens der LVR-Museumsförderung.
Josef Wißkirchen. Foto: LVR-ZMB
Josef Wißkirchen mit dem Obermayer Award ausgezeichnet
Im Jahr 2008 eröffnete der LVR die Gedenkstätte Brauweiler, welche die Geschehnisse der Jahre 1933 bis 1945 in der ehemaligen Arbeitsanstalt Brauweiler dokumentiert. Basis für die Dauerausstellung war die Publikation "Was in Brauweiler geschah" (2006) von Josef Wißkirchen und Hermann Daners, die erstmals detailliert die NS-Geschichte der Arbeitsanstalt Brauweiler aufarbeitete. Josef Wißkirchen gab den Anstoß zur Einrichtung der Gedenkstätte Brauweiler, die nun seit mehr als 13 Jahren über die Geschehnisse informiert und an die Opfer des NS-Regimes in Brauweiler erinnert, darunter auch etwa 600 jüdische Rheinländer, die von hier aus nach Dachau deportiert wurden.
Bis heute steht Josef Wißkirchen beratend und vermittelnd an der Seite der Gedenkstätte Brauweiler. Darüber hinaus hat er sich in zahlreichen Publikationen schwerpunktmäßig mit der Geschichte jüdischen Lebens in der Region befasst. 1988 wurde sein zweibändiges Werk „Juden in Stommeln“ (1983/1987) mit dem LVR-Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Es folgten bis heute zahlreiche weitere Publikationen, die sich der jüdischen Lokalgeschichte widmen.
Für sein jahrzehntelanges Engagement wurde Josef Wißkirchen nun mit dem renommierten Obermayer Award ausgezeichnet. Hierzu gratulieren wir ihm herzlich!
Die Obermayer Awards würdigen deutsche Bürger*innen und Organisationen, die sich für die Erinnerung an die wichtige Rolle, die die jüdische Bevölkerung vor der Zeit des Nationalsozialismus spielte, einsetzen. Ausgezeichnet werden darüber hinaus Menschen, die sich der Bekämpfung von Vorurteilen, Rassismus und Antisemitismus widmen und die Verständigung fördern. Die Obermayer Awards wurden im Jahr 2000 von Dr. Arthur S. Obermayer (1931–2016), einem vielfältig engagierten amerikanischen Unternehmer und Philanthropen, und seiner Frau Dr. Judith H. Obermayer ins Leben gerufen. Die Ausschreibung und Verleihung der Auszeichnung erfolgt durch die Organisation Widen the Circle.
Über Josef Wißkirchen heißt es in der Presseerklärung der Obermayer Awards:
Der pensionierte Lehrer begann schon Anfang der 1980er Jahre, die Geschichte der ehemaligen jüdischen Bevölkerung in kleinen rheinischen Städten wie Stommeln und Rommerskirchen zu dokumentieren und aufzuarbeiten. Heute gehört er zu den produktivsten deutschen Autoren im Bereich jüdischer Lokalgeschichte. Zu seinen zahlreichen Publikationen zählt das Werk „Juden in Stommeln“, aus dem später ein Fernsehfilm entstand. Oft begleitet er jüdische Nachfahren auf ihren Besuchen in der Region. Wißkirchen war darüber hinaus Initiator und Berater für die Einrichtung der Gedenkstätte für die Verbrechen des Nationalsozialismus in Brauweiler sowie die Restaurierung und Umgestaltung der Synagoge in Stommeln zu einem Kunstzentrum. (Quelle: Pressemitteilung von Widen the Circle)
Die Preisverleihung fand am 25. Januar 2022 im Berliner Abgeordnetenhaus im Rahmen der Veranstaltungen anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages statt.
Weitere Informationen
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Virtuelles Treffen mit Schüler*innen aus Bolivien. Foto: LVR-AFZ, M. Thulin
Schüler*innen aus Bolivien virtuell zu Gast in der Gedenkstätte Brauweiler
Der Widerstand während des Zweiten Weltkrieges hatte viele Gesichter: Ein Gymnasiast aus Luxemburg, der 1941 in seiner Schule einen Vortrag über die Hitlerjugend störte, eine Gruppe Heimkinder, die verbotene Lieder der Edelweißpiraten sangen, und ein Mädchen aus einem Kinderheim in Düsseldorf, das nach einem Bombenangriff einen Fluchtversuch unternahm - sie alle verbindet das gleiche Schicksal: Zwischen 1939 und 1945 wurden sie auf dem Gelände der Arbeitsanstalt Brauweiler interniert.
Am Mittwoch, den 12. Januar 2022, begrüßte Markus Thulin, Gedenkstättenpädagoge des LVR-Kulturzentrums Abtei Brauweiler, die Schüler*innen eines Deutschkurses des Goetheinstituts La Paz, Bolivien, zu einem virtuellen Workshop. Nach der online-Führung durch die Gedenkstätte entwickelten sich spannende Gespräche zu den Themen „Fürsorgeerziehung“ und „Jugendwiderstand“ in Brauweiler während der NS-Zeit. Die an Geschichte sehr interessierten Schüler*innen äußerten sich begeistert über die Möglichkeit, einen historischen Ort in Europa so kennenzulernen, als wären sie selbst dort.
Das Team der Gedenkstätte Brauweiler freut sich, mit den neuen Online-Angeboten Interessierte aus der ganzen Welt zu erreichen. Nähere Informationen zu den angebotenen Themen finden Sie hier!
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Markus Thulin
E-Mail: markus.thulin@lvr.de
Tel. +4922349854-278
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Augmentation: Am Schreibtisch im Kaisersaal der Abtei Brauweiler können wir die Homeschooling-Atmosphäre nicht überwinden [Foto: LVR-AFZ, C. Hartmann]
„Redefinition“ of Kaisersaal
Das Team der Gedenkstätte Brauweiler arbeitet an einer Online-Führung für Schüler*innen auf dem Abteigelände von Brauweiler
Kennen Sie das SAMR-Modell von Ruben R. Puentedura? Der US-amerikanische Wissenschaftler (Harvard University, Bennington College) analysierte schon im Jahr 2006 die Möglichkeiten der Nutzung digitaler Medien im Unterricht. Er unterteilte vier verschiedene Stufen: Substitution (Ersetzung), Augmentation (Erweiterung), Modification (Änderung) und Redefinition (Neubelegung). Während Substitution nicht viel mehr ist, als einen Text online und nicht auf Papier zu lesen, geht es bei Redefinition um das sogenannte digitale Geschichtenerzählen.
“Digital Storytelling”, das klingt nach einer ganz neuen Art des Unterrichtens. Vorbei die Zeit, in der PDF-Dokumente ausgefüllt oder Bildschirmpräsentationen geteilt wurden. Darum war es auch unser Ziel, die NS-Vergangenheit der ehemaligen Abtei Brauweiler anhand eines konkreten Beispiels aus dem Jugendwiderstand interessant und lehrreich in den digitalen Raum zu senden: Was bewegte die Gruppe der Kölner Edelweißpiraten, gegen das NS-Regime zu kämpfen? Wie gelang es der Gestapo, viele von ihnen festzunehmen? Warum wurden sie nach Brauweiler gebracht und wie wurden sie dort behandelt?
Die Gedenkstätte im Frauenhaus der ehemaligen Arbeitsanstalt ist seit 2008 ein wichtiger Lernort für die Schulen der Umgebung. Das Angebot der Gedenkstätte unterstützt sie bei der Erfüllung der sogenannten “Fächerübergreifende(n) Querschnittsaufgaben”. Dazu gehören Menschenrechtsbildung, Werteerziehung, politische Bildung und Demokratieerziehung. Nun wollten wir auch die Aufgabe “Bildung für die digitale Welt und Medienbildung” bedienen.
Also studierten wir die Methoden anderer Gedenkstätten und Museen in der Online-Vermittlung und fingen an, unser eigenes digitales Tor in die Schulen zu bauen. Wir installierten Webcams und Mikrofone, verglichen Videokonferenzanwendungen, testeten die WLAN-Verbindung auf dem Abteigelände, bereiteten Umfragen vor und besprachen uns mit den Lehrer*innen unserer knapp 40 jugendlichen Testpersonen. Unser Ziel war es, das Gelände der Abtei Brauweiler trotz der Homeschooling-Situation für sie erlebbar zu machen.
Gerade die Gedenkstätte, bislang das Herzstück unserer Vermittlungsangebote zur NS-Vergangenheit, konnten wir als Ort noch nicht einbinden. Einen Internet-Zugang gibt es dort zurzeit noch nicht (wir arbeiten dran). Auch im Außenbereich waren die übertragenen Bilder verwackelt, die Tonspur zerstückelt. Darum entschieden wir uns, an jenen Orten online zu gehen, die über einen stabilen Internetzugang verfügten.
Am Mittwoch, den 24. März um acht Uhr morgens, war es dann soweit: Von unseren digitalen Stationen im Kaisersaal des Prälaturgebäudes der Abtei und dem Lesesaal des LVR-Archivs wählten wir uns in die Geschichtsstunde der Schüler*innen ein und hörten … nichts.
Transformation oder sogar schon Redefinition? Im Lesesaal des LVR-Archivs gelang es uns schon viel besser, den Schüler*innen den Eindruck zu vermitteln, sie seien live vor Ort. [Foto: LVR-AFZ, Markus Thulin]
Man blickt auf den Bildschirm, sieht im besten Fall, wieviele Teilnehmende anwesend sind, beginnt zu erzählen – doch alles ist still, nur bunte Kacheln mit Namenskürzeln. Goodbye digital storytelling, auf Wiedersehen Redefinition! Wie kann man einen für Jugendliche so spannenden Ort wie Brauweiler, an dem in der NS-Zeit sogar 15-Jährige verhört und gefoltert wurden, weil sie es einfach nur gewagt hatten, anders zu sein – wie kann man die Geschichte eines solchen Ortes präsentieren, wenn man doch nur der “Host” eines “Team-Meetings” ist? Doch dann meldete sich Stefan zu Wort.
Stefan hatte kritische Fragen, unterstellte uns unter anderem, alle damaligen Mitläufer als Menschen ohne Zivilcourage zu kategorisieren. Das ist genau eine der Fragen, auf die man als Museumspädagoge wartet. Auch wenn nach unserer Antwort wieder Schweigen herrschte, war das passiert, was wir seit über einem Jahr nicht mehr gehabt hatten: Kontakt mit den Schüler*innen.
Einen Tag später nahmen wir am 18. Ost-Westeuropäischen Gedenkstättentreffen teil. Es fand unter dem Motto “Das virtuelle Erinnern. Gedenkstättenarbeit und digitale Medien” online statt. Eindrücklich war unter anderem der Einführungsvortrag von Maciek Zabierrowski vom Auschwitz Jewish Center. Er zeigte uns ein Bild aus dem Jahr 1928. Dort war ein Filmteam zu sehen, welches sein Equipment um einen Radiomoderator aufgebaut hatte. Es war eine der ersten gefilmten Live-Übertragungen der Geschichte. Damals fehlte noch die Erfahrung, wie das neue Medium einzusetzen war. Über Substitution ging es nicht hinaus. Das erinnerte uns an den Probelauf mit den Schüler*innen.
Wir haben die Herausforderung angenommen und sind bereit zu experimentieren, vom alt Vertrauten abzuweichen und neue Formate zu entwickeln. Und einen entscheidenen Vorteil hat die digitale Vermittlung: Auch weit entfernte Gedenkstätten und Erinnerungsorte haben bereits ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns signalisiert. Doch ein Schritt nach dem anderen: Zuerst einmal wollen wir den Kontakt zu den Schulen in der Umgebung ausbauen beziehungsweise ‚redifinieren‘.
In Kürze starten wir die zweite Testphase unseres Projektes der digitalen Vermittlung. Die größte Herausforderung wird es dabei sein, nicht zu versuchen, das analoge Erlebnis eins zu eins im digitalen Raum abzubilden, sondern in die Diskussion mit Schüler*innen wie Stefan zu kommen. Wir nennen es die „Digital Storydiscussion“. Über unsere Erfahrungen werden wir hier auf dieser Seite weiter informieren.
Welche Erfahrungen haben Sie in der digitalen Geschichtsvermittlung gemacht? Wir freuen uns über Ihre Ideen und Anregungen!
Kontakt:
markus.thulin@lvr.de
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Das Foto zeigt die Arbeitsanstalt Brauweiler im Jahr 1930. Alice und Ilse Neugebauer waren im Arresthaus (4) eingesperrt, Max Neugebauer im Zellenbau (5), wo sich auch die Verhörräume des Sonderkommandos Kütter befanden. Diese Gebäude sind nicht mehr erhalten. Im Kellergeschoss des Frauenhauses (3), welches ebenfalls von der Gestapo genutzt wurde, befindet sich seit 2008 eine NS-Gedenkstätte. [Abb.: LVR]
Geschichten der Befreiung: Ilse Neugebauer
Mitte April 1945 meldeten sich im Rathaus von Lüdenscheid zahlreiche Personen,[1] die über keine Ausweispapiere verfügten, kein Geld und keine Wechselkleidung bei sich hatten, obwohl sie schon seit Monaten unterwegs waren. Viele von ihnen wollten zurück nach Köln oder in die nähere Umgebung der Domstadt. Sie alle einte eine Leidensgeschichte, die Monate zuvor in der Arbeitsanstalt Brauweiler begonnen hatte. Eine dieser ehemaligen Gefangenen war Ilse Neugebauer aus Hürth-Efferen in der Nähe von Köln, die damals 19 Jahre alt war.
Ilse Neugebauer war das Kind politisch engagierter Eltern. Schon 1919 war ihre Mutter in die SPD eingetreten. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zwang sie jedoch nicht nur, ihr Engagement einzustellen. Mutter und Tochter schwebten nun sogar in großer Gefahr. Alice Neugebauer, geb. Heydt, war Jüdin, und nur die „privilegierte Mischehe“ mit ihrem Mann Max bewahrte sie und Ilse lange Zeit vor der drohenden Verhaftung. Im September 1944 schützte sie jedoch auch das nicht mehr. Sie erhielten den Befehl, sich im Sammellager im Kölner Stadtteil Müngersdorf zu melden.[2]
Max Neugebauer versuchte seine Familie zu retten. Er versteckte sie bei Freunden. Diese stellten ihre Wohnung auch einer kommunistischen Kölner Widerstandsgruppe als Versammlungsort zur Verfügung. Ein Sonderkommando der Gestapo unter Leitung von Ferdinand Kütter hatte jedoch durch ein ehemaliges Mitglied dieser Gruppe von dem Treffpunkt erfahren. Am 24. November 1944 stürmten es das Haus und verhafteten auch die beiden Frauen. Zwei Tage später fasste die Gestapo auch Ilses Vater. Er wusste damals noch nichts von der Enttarnung des Aufenthaltsortes und hatte versucht, für sie etwas zu Essen und Geld abzugeben.[3] Zu diesem Zeitpunkt waren Ilse und ihre Mutter schon in der Frauenabteilung des Gefängnisses, das die Gestapo innerhalb der Arbeitsanstalt Brauweiler, ungefähr 12 km westlich von Köln, eingerichtet hatte. Max kam in die Männerabteilung.
Am 10. und am 15. Februar waren die Neugebauers unter den letzten Gefangenen, die die Gestapo in zwei Sammeltransporten in das 45 Kilometer entfernte Zuchthaus Siegburg östlich des Rheins überführte. Die dortigen Gebäude waren für 700 Gefangene erbaut worden, jedoch schon 1944 mit 3500 Menschen überbelegt gewesen. Nun trafen immer neue Transporte aus dem Westen ein. Fleckfieber und Typhus breiteten sich aus und forderten zahllose Todesopfer. Es war der letzte Ort, an dem Ilse mit beiden Elternteilen, wenn auch räumlich vom Vater getrennt, eingesperrt war.
Anfang März gelang der US-Armee die Überquerung des Rheins. Die Befreiung schien in greifbare Nähe zu rücken. Doch waren sie noch immer Gefangene der Gestapo. Und gerade der Leiter des Brauweiler Sonderkommandos dachte nicht daran, im Angesicht des sicheren Zusammenbruchs seine Arbeit zu beenden. Schon im November 1944 hatte er sich mit seinen Vorgesetzten darauf geeinigt, alle in Brauweiler einsitzenden Häftlinge zu erschießen, wenn die alliierten Truppen so schnell vorstoßen sollten, dass eine Evakuierung nicht mehr möglich wäre.[5] Den Transport nach Siegburg hatte er anscheinend noch in der Hoffnung auf eine zeitweise Frontverschiebung eingeleitet. Doch nun muss ihm und seinen Vorgesetzten klar gewesen sein, dass in Siegburg die letzten Gefangenen waren, über die sie richten konnten: Am 21. März hatte die Köln-Aachener Gauleitung, offensichtlich auch auf Betreiben des ebenfalls nach Osten reisenden Stabs des Brauweiler Sonderkommandos, in Berlin einen „Führerbefehl“ erwirkt, der die Ermordung aller von ihnen inhaftierten politischen Gegner vorsah.[6]
Konservendose, die im Lager Hunswinkel als Essgeschirr verwendet wurde [Foto: Josef Wißkirchen]
Der Todesbefehl kam für sie zu spät. Nur wenige Tage zuvor waren ungefähr 120 Gefangene aus Siegburg abtransportiert worden. Die Neugebauers wurden getrennt. Max kam mit einem Sammeltransport von 47 Personen in das bisherige Jugendgefängnis Marienschloss im hessischen Rockenberg südlich von Gießen. Das war eine Reise von 160 Kilometern. Wahrscheinlich war er schon zu diesem Zeitpunkt erkrankt oder zumindest stark geschwächt. Ilse und ihre Mutter wurden mit ungefähr 70 anderen Insass*innen in das knapp 50 Kilometer entfernte Arbeitserziehungslager Wipperfürth transportiert. Tiefflieger griffen mehrfach an, zahlreiche Menschen starben. Das Lager war jedoch eine Verbesserung gegenüber Siegburg: Ilse Neugebauer berichtete später, dass sie nicht mehr auf Strohsäcken, sondern in dreistöckigen Bettgestellen schlafen und ins Freie gehen konnten. Doch ihr Leidensweg war noch immer nicht beendet. Auch dieses Lager war überfüllt, weshalb erneut Transporte zusammengestellt wurden.[7]
Der leitende SS-Untersturmführer hatte zu diesem Zeitpunkt - es war Anfang April - schon viele der Häftlinge laufen lassen. Nicht jedoch die politischen Gefangenen. Diese schickte er auf einen Transport in Richtung Osten. Ziel war das 35 Kilometer entfernte Arbeitserziehungs- und Konzentrationslager Hunswinkel bei Lüdenscheid im Sauerland. Nach wenigen Tagen dort erzwang das Vorrücken der US-Armee am 11. April einen erneuten Aufbruch. Jetzt erst schien die Lagerleitung die aussichtslose Lage begriffen zu haben und beantragte die Entlassung der letzten Gefangenen. Ganz anders dachte die Kölner Gestapoleitung, die in einem Ort ganz in der Nähe des Lagers ihre Dienststelle eingerichtet hatte. Sie verweigerte die Ausstellung der Entlassungsurkunden. Bis kurz vor Eintreffen der US-amerikanischen Soldaten ließ sie noch zahlreiche ihrer ausländischen Gefangenen im Wuppertaler Polizeigefängnis erschießen.
Am 12. April erschoss sich Kütter, nur 18 Kilometer vom Häftlingslager entfernt. Bis zum Schluss hatte er auf einen Prozess gegen die deutschen Häftlinge hingearbeitet. Am gleichen Tag verließ der Lagerleiter die Gruppe aus Frauen, Männern und Kindern. Sie suchten sich einen Unterschlupf in einer Scheune. Dort trafen sie am nächsten Morgen auf die ersten US-amerikanischen Soldaten.[8]
Ilse Neugebauer und ihre Mutter schlossen sich einer Gruppe von ungefähr 50 Personen an, die den Rückweg nach Köln antrat. Am 1. Mai erreichten sie den Rhein. Nach ihrer Rückkehr erfuhren sie, dass auch Max Neugebauer befreit worden war. Obwohl die US-Armee das Jugendgefängnis Marienschloss schon am 29. März erreicht hatte, war der Rückweg für ihn wesentlich beschwerlicher. Die Gefangenen mussten aufgrund der großen Entfernung nach Köln auf eine Transportmöglichkeit warten. Davon gab es jedoch nicht genug. Also machte er sich am 5. April zu Fuß auf den Weg. Am 16. April verstarb Max Neugebauer in einem Hilfskrankenhaus in Albershausen, zwischen Wetzlar und Braunfels.
Ilse Neugebauer trat noch im November 1945 in die SPD ein. Zusammen mit ihrer Mutter überwand sie die zahlreichen Hindernisse, die ihnen als erste Frauen in den politischen Gremien ihres Heimatortes Hürth in den Weg gelegt wurden.[9] Ab Mitte der 1970er Jahre war sie Mitglied des Stadtrates. Bis 1999 sollte ihre politische Karriere dauern. Ilse Neugebauer verstarb 2019 in Brühl.
(Text: Markus Thulin)
Anmerkungen/Literatur
[1] Hermann Daners / Josef Wißkirchen: Die Arbeitsanstalt Brauweiler bei Köln in nationalsozialistischer Zeit; Rheinprovinz Bd. 22; Schriften zur Gedenkstätte Brauweiler Bd. 2; Hrsg. vom LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum; Redaktion: Wolfgang Schaffer, Christine Hartmann; Klartext Verlag, Essen 2013 (ISBN 978-3-8375-0971-7), S. 369.
[2] Daners/Wißkirchen (2013), S. 355.
[3] Daners/Wißkirchen (2013), S. 356, 357.
[4] Daners/Wißkirchen (2013), S. 363, 364.
[5] Daners/Wißkirchen (2013), S. 365.
[6] Daners/Wißkirchen (2013), S. 366, 367.
[7] Daners/Wißkirchen (2013), S. 368.
[8] Daners/Wißkirchen (2013), S. 369, 370.
[9] Engels, Andreas: 100 Jahre Frauenwahlrecht. 91 jährige war eine der ersten Frauen im Hürther Gemeinderat. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 11.3.2018
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Sichtfenster in einer Zellentür. Foto: LVR, Ludger Ströter
Ausstellung"Mehr als man kennt - näher als man denkt"
Objektgeschichten aus Gedenkstätten in NRW
29 NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte des Landes NRW präsentieren in einer gemeinsamen Online-Ausstellung jeweils ein ausgesuchtes Exponat und stellen ihre Einrichtung vor. Mit dabei ist auch die Gedenkstätte Brauweiler des LVR.
Pressemeldung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Arbeitskreises NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. und der Landeszentrale für politische Bildung NRW.
Die Ausstellung wurde vom 10. März bis 16. April 2023 in Brauweiler gezeigt.
Hier geht es zur Online-Ausstellung.
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